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Warum Astrologie ?

Warum sollen die Sterne Einfluss auf mein Leben haben? Was "macht" so ein Planet, dass er so stark auf mich wirkt? Jeder Astrologe hat diese Fragen schon oft gehört, und sie sich wohl auch schon einmal selbst gestellt. "Das weiß keiner so genau, aber es funktioniert trotzdem" – in diese Richtung gehen dann häufig die Antworten. Ich möchte hier versuchen, ein wenig genauer zu antworten. Es gibt eine Menge Erkenntnisse rund um diese Frage: wir wissen heute recht gut, warum es funktioniert.

Dieser Artikel ist keine Einführung in das Handwerk der Astrologie. Wenn Sie mit den Grundbegriffen noch nicht vertraut sind, gibt der Astrodienst auf seiner Website eine gute Übersicht.

"Es funktioniert trotzdem" ist ein wichtiger Satz. Er formuliert eine subjektive Erkenntnis des Menschen, die auf seinen Erfahrungen beruht. Sie ist schwer zu fassen. Nicht jeder Mensch kann die Erfahrungen eines anderen nachvollziehen. Und damit entziehen sich diese Erfahrungen meist der wissenschaftlichen Bewertung, die eben genau darauf beruht: intersubjektive Nachprüfbarkeit.

Die empirischen Sozialwissenschaften versuchen, diesen Mangel mit statistischen Mitteln auszugleichen. Auch in der Astrologie ist diese Methode angewandt worden. Die Forschungen von Michel und Françoise Gauquelin haben beispielsweise bewiesen, dass sich Mars bei erfolgreichen Sportlern mit statistisch signifikanter Wahrscheinlichkeit in der Nähe einer der Horoskopachsen befindet.

Über den individuellen Sportler sagt das letztlich gar nichts. Es ist völlig im Einklang mit der Statistik, dass es möglich ist, ein erfolgreicher Sportler zu sein – mit Mars im 2. Haus. Es ist halt nicht so wahrscheinlich. Denn jeder Mensch ist einzig, und Statistik sagt nichts über den Einzelnen.

Wenn wir also dem Einfluss auf ein Leben nachspüren wollen, mit all seinen Wundern und Unwahrscheinlichkeiten, kommen wir mit den Mitteln der Statistik nicht weiter. Sie kann zwar Indizien liefern, aber letztlich kann sie keine Aussage darüber treffen, ob dieser eine besondere Fall nicht vielleicht doch – entgegen aller Erwartungen – möglich und sinnvoll ist. Und damit sind wir wieder zurückgeworfen auf die subjektive Erfahrung. Nur sie kann uns hier weiterhelfen.

Eine objektive Welt?

Wir sind nicht geschult, mit subjektiven Wahrnehmungen umzugehen. In der Wissenschaft wurden sie in den letzten 200 Jahren immer dann negiert, wenn sie nicht erklärbar waren. Objektivität war das Ziel, alles andere wurde verworfen. Und in der objektiven Welt sollte möglichst alles kausal erklärbar sein. Die moderne Physik machte diesem Traum ein Ende. In der Quantenphysik beispielsweise ist mit Kausalität so gut wie nichts mehr zu erklären – die hier verwendeten Modelle arbeiten nur noch mit Wahrscheinlichkeiten. Innerhalb bestimmter Grenzen ist hier alles möglich, sind Naturgesetze nur noch Sonderfälle, die keinen universellen Bestand mehr haben. Über den Kern dieser Welt wissen wir wenig, und nur die Mathematik hilft uns, in diese Bereiche vorzudringen. Unsere Anschauung, unsere Vorstellung von der objektiven Welt gilt hier nichts.

Wenn wir über den Menschen sprechen, über seinen geistigen Kern: die Psyche, befinden wir uns auf ähnlich unbekanntem Gebiet. Auch hier ist es schwer, objektiv zu sein, und kausale Zusammenhänge sind im Bereich der Psyche eher selten. Es war der Psychologe Carl Gustav Jung, der hier einen entscheidenden Schritt weiter dachte. Er beobachtete bei seinen Patienten Ereignisse und Träume, die in keinem kausalen Zusammenhang zueinander standen, aber trotzdem bedeutungsvoll aufeinander bezogen waren.

Dieses von ihm Synchronizität genannte Prinzip führt eine neue Dimension in die Beschäftigung mit der Psyche ein. Es schafft einen Rahmen, um viele der subjektiven Erfahrungen zu beschreiben, die mit dem objektiv-kausalen Modell nicht zu erfassen sind. Und zu diesen Erfahrungen gehört auch die Astrologie. Ihre Erfahrungen reichen viele Tausend Jahre zurück und sind in allen Kulturen dieser Welt beschrieben.

Die Zeit ordnen

Das grundlegende Erlebnis der Astrologie ist eine Erfahrung von "Zeit". Wer den Lauf der Planeten beobachtet, erkennt eine Ordnung der Bewegung, erkennt Rhythmus und Struktur. Alles kehrt wieder, in regelmäßigen Abständen und in unterschiedlichen Kombinationen. Dabei ist der Frühlingspunkt der Anfang und zugleich das Ende, die Referenz, auf die das ganze System bezogen wird. Dieser Frühlingspunkt – der Stand der Sonne während der Tag- und Nachtgleiche nach der Wintersonnenwende – fiel zu Zeiten der Alten Griechen in das Sternbild des Widders. Heute befindet er sich ungefähr ein Sternbild davor, in den Fischen.

Sehr früh beschreibt die Astrologie so eine Maßeinheit für Zeit, die wesentlich komplexer und vielschichtiger ist als unsere heutige Einteilung in Stunden, Tage und Jahre. Ein Umlauf der klassischen Planeten dauert zwischen einem Monat und 28 Jahren – genug, um einem ganzen Leben Struktur und Rhythmus zu geben. Die erst in der Neuzeit entdeckten Planeten wie Uranus, Neptun oder Pluto gehen darüber sogar noch hinaus.

Über Zeit wissen wir sehr wenig. Wir kennen sie als linearen Ablauf, als eindimensionale Straße, von der es keine Abzweigung gibt. Seit Einstein wissen wir aber auch, dass Zeit relativ ist, dass sie Teil ist eines "Raum-Zeit-Kontinuums", und dass sie mathematisch als vierte Dimension unserer Wirklichkeit beschrieben werden kann. Zeit ist also mehr als nur der Lauf der Dinge vom Gestern ins Morgen.

Hier liegt eine große Stärke der Astrologie. Sie bietet uns eine Maßeinheit für Zeit, die deutlich feiner ist als die gewöhnlichen linearen Modelle, die wir tagtäglich benutzen. Astrologie begreift Zeit als zyklisch: als ineinandergreifende Rhythmen. Das heißt übrigens nicht, dass sich Zeit ständig wiederholt. Jeder Zyklus baut auf seinem Vorgänger auf und bereitet seinem Nachfolger den Boden. Die Astrologie verwirft das lineare Modell nicht, sondern ergänzt es.

Symbole der Zeit

Dass die astrologischen Symbole Zeit beschreiben können, ist ein synchronistisches Phänomen. Es gibt dafür keinen Grund, eine kausale Erklärung ist nie gefunden worden. Die Rhythmen der Planeten beschreiben die Qualität der Zeit und haben eine Bedeutung für das menschliche Leben, weil wir in der Zeit leben. Im Kern der Zeit verbindet sich dies alles, aber darüber können wir nur spekulieren. Im Kern der Zeit treffen wir das Eine, das Einzige, die Ur-Einheit, Quelle und Ziel des Seins.

Eine der wesentlichen Erkenntnisse moderner Astrologie ist die nunmehr bewusste Verbindung der klassischen Symbole mit den Archetypen der Psyche. Das Konzept der Archetypen stammt ebenfalls von Carl Gustav Jung. Er beschreibt damit einen Teil unserer psychischen Erbmasse: Strukturen, Bilder, Grundmuster der Psyche, die uns allen gemein sind. Sie existieren unabhängig vom einzelnen Menschen, aber zeigen sich in jedem Einzelnen von uns als psychische Energie, die – mehr oder minder bewusst – wesentliche Teile des Lebens bestimmt. Die Archetypen erzählen uns von den grundlegenden Dingen im Leben: Geburt und Tod, Vater und Mutter, Jugend und Alter, Ich und Du, Eins und Zwei. Sie sind wie Kanäle, in denen das Wasser des individuellen Lebens fließt.

Auch die Symbolik der Astrologie erzählt von diesen Dingen. Die Planeten und Zeichen beschreiben Archetypen – und haben dies auch bereits getan, als es unser heutiges Verständnis der Psyche noch gar nicht gab. Astrologische Symbole gehören mit Mythen und Märchen zu den ältesten Ausdrucksformen der Archetypen, die wir kennen.

Die Erkenntnisse der modernen Psychologie haben der Astrologie im 20. Jahrhundert einen neuen Antrieb gegeben. Das Beschreiben und Deuten konkreter äußerer Ereignisse tritt in den Hintergrund zugunsten einer Interpretation, die sich vor allem mit psychischen Energien und ihren inneren und äußeren Auswirkungen auf den Menschen beschäftigt. Diese Neuformulierung der Astrologie hat sie vom Staub der Jahrhunderte befreit, das klassische mit dem modernen Wissen verbunden und so die Anwendbarkeit in der heutigen Zeit neu begründet.

Zahl und Ordnung

Astrologie ist nicht denkbar ohne die Zahl, die selbst wiederum ein Archetyp ist. Sie ist in den Worten der Jung-Schülerin Marie-Louise von Franz ein "gemeinsamer Anordner von Psyche und Materie". In beiden Fällen beschreibt die Zahl deren innere Ordnung. Psyche und Materie haben also ein gemeinsames Ordnungsprinzip, das in beiden Welten anwendbar ist. Es fasziniert den Menschen schon seit langer Zeit weit über den praktischen Nutzwert des Zählens hinaus. Die Ordnung der Zahlen ist eng verbunden mit der Philosophie; in jeder Religion gibt es zentrale Zahlen, beispielsweise die Trinität bei den Christen. Und in der modernen Physik können wir einiges zwar nicht verstehen, aber durchaus berechnen.

Die Astrologie beruht in weiten Teilen auf diesem Ordnungsprinzip der Zahl. Wenn sich zwei Planeten gegenüber stehen, ist diese Opposition vor allem ein Ereignis der "Zwei": der Tierkreis ist in zwei Teile von je 180 Grad geteilt, an deren Endpunkten jeweils ein Planet steht. Wenn die Planeten im Quadrat stehen, sind sie 90 Grad voneinander entfernt: eine Teilung des Tierkreises durch vier, oder durch "zwei mal zwei". Quadrat und Opposition beruhen also auf dem gleichen Prinzip, dem Prinzip der "Zwei" – daher ist ihre Deutung auch durchaus verwandt.

Es gibt vier Elemente und drei Qualitäten. Der Tierkreis ist in drei mal vier, also zwölf gleiche Teile geteilt. Die Winkelbeziehungen (Aspekte) der Planeten zueinander werden darauf untersucht, ob sie durch zwei, drei, fünf oder sieben, oder durch ihre Vielfache, teilbar sind. Die mächtigste Winkelbeziehung zweier Planeten ist die Konjunktion: die Einheit, eins.

Die Deutung der Aspekte im Horoskop greift auf die Zahl als Archetyp zurück, die in diesem Fall eine Strukturqualität der Zeit beschreibt. Diese Beschreibung ist nicht kausal – die Stellung der Planeten wirkt nicht ursächlich auf die Zeit, und ob die Zeit die Stellung der Planeten "bewirkt", wissen wir nicht. Es geht um synchronistische Beziehungen. Es ist bedeutungsvoll, dass genau zu diesem Zeitpunkt zwei Planeten zueinander einen Aspekt bilden, und die zugrunde liegende Zahl gibt uns einen Hinweis auf die Art der Bedeutung.

Das Horoskop als Mandala

Das Horoskop ist ein Symbol der Ganzheit, des umfassenden Seins: ein Mandala, wie es Jung oft selbst genannt hat. Es beschreibt umfassend den Augenblick, für den es berechnet wird. Für ein menschliches Leben ist der erste selbständige Atemzug der Ankerpunkt in der Zeit, der den Beginn der Inkarnation darstellt. Die Zeitqualität, wie sie im Geburtshoroskop beschrieben wird, hat eine synchronistische Beziehung zum Neugeborenen. Es gibt keinen Grund im herkömmlichen Sinne, keinen kausalen Zusammenhang, warum die Geburt ausgerechnet in diesem Moment stattgefunden hat. Aber dass es gerade dieser Moment und kein anderer war, hat eine Bedeutung. Dieser Bedeutung sind wir auf der Spur, wenn wir das Geburtshoroskop, seine Transite und seine Progressionen untersuchen.

Es sind also drei Säulen, auf denen die Astrologie aufbaut: Synchronizität, Archetypen und Zahl. Die Astrologie beruht auf der bedeutsamen, nicht kausalen, synchronistischen Verbundenheit eines Ereignisses mit dem Moment, in dem es geschieht. Die Bilder der Astrologie sind gültig und allgemein verständlich, weil sie Ausdruck der Archetypen sind. Doch erst wenn diese Bilder geordnet werden durch die Zahl, wird die Gestalt des Horoskops dem menschlichen Geiste zugänglich.

Literatur:
C.G. Jung – Synchronizität, dtv, München 1990 (auch in: Gesammelte Werke, Band 8)
M.L. von Franz – Zahl und Zeit, Klett-Cotta, Stuttgart, 2. überarbeitete Auflage 1990

© 2003 Robert Amlung
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